„Als Journalist oder Journalistin zu arbeiten, kann heute brandgefährlich sein, auch in Deutschland“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Zahl der physischen Angriffe steigt, und im digitalen Raum dreht sich die Gewaltspirale häufig noch weiter. Ein Gesetz gegen digitale Gewalt ist deshalb dringend nötig, und wir hoffen, dass unsere Vorschläge in den Gesetzestext Eingang finden.“
„Für Medienschaffende – insbesondere Journalistinnen of Color – steigt der Druck durch Anfeindungen und Bedrohungen. Wir brauchen Schutzgarantien, damit wichtige Stimmen nicht verstummen“, ergänzte Elena Kountidou, Geschäftsführerin der NdM.
Reporter ohne Grenzen hat im vergangenen Jahr 103 physische Angriffe auf Journalistinnen und Reporter verifiziert. Das vollständige Ausmaß digitaler Gewalt ist aufgrund einer fehlenden systematischen, kontinuierlichen Erhebung nicht erfasst. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Medienschaffende sollten als zu schützende Berufsgruppe benannt werden
RSF und NdM empfehlen deshalb, Medienschaffende explizit als zu schützende Berufsgruppe in dem Gesetz gegen digitale Gewalt zu nennen, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich gegen digitale Gewalt zu wehren. Die Organisationen sehen auch Nachbesserungsbedarf beim zugrundeliegenden Verständnis von digitaler Gewalt, bei der Sicherung von Anonymität im Internet sowie der richterlich angeordneten Accountsperre.
Begriff der digitalen Gewalt verlangt klare Definition
Der Gesetzestext sollte verschiedene Formen digitaler Gewalt klar definieren und als ein intersektionales, mehrsprachiges Phänomen begreifen. Nur so können Medienschaffende mit und ohne Migrationsgeschichte sowie Exiljournalistinnen und -journalisten effektiv geschützt werden.
Denn bei diesen Personengruppen konzentriert sich der Hass nicht nur auf veröffentlichte Inhalte, sondern auch auf ihre (vermeintliche) Herkunft, ihre Geschlechtszugehörigkeit oder Hautfarbe. Exiljournalistinnen und -journalisten sind häufig sowohl in Deutschland als auch aus ihrem Heimatland bedroht.
Private Auskunftsverfahren könnten Recht auf Anonymität im Netz gefährden
Das Justizministerium will Betroffene von digitaler Gewalt besser als bisher in die Lage versetzen, von sozialen Netzwerken Auskunft über die Identität von Verfasserinnen und Verfasser rechtsverletzender Kommentare zu verlangen. RSF und NdM begrüßen dieses Anliegen, befürchten allerdings, dass der aktuelle Ansatz des Ministeriums das Recht auf Anonymität im Netz gefährdet.
Dieses Recht darf nicht leichtfertig aufgegeben werden. Denn in vielen Bereichen der journalistischen Arbeit ist es essentiell, anonym arbeiten zu können; etwa wenn sich Quellen an Journalistinnen und Journalisten wenden wollen oder Medien über Ländergrenzen hinaus verdeckt arbeiten müssen. Eine Reform der Auskunftsverfahren sollte schonend und maßvoll mit besonderem Blick auf Missbrauchspotenziale evaluiert werden.
Accountsperre: Gesetz muss mehr auf die Betroffenen eingehen
Die Praxis zeigt: Medienschaffende werden häufig und regelmäßig von mehreren Accounts gleichzeitig angegriffen („Shitstorm“). Das Eckpunktepapier gibt keine Antwort darauf, ob mehrere Accountsperren innerhalb eines Gerichtsverfahrens möglich sind. Diese klaren Regelungen braucht es jedoch, damit Journalistinnen und Reporter Gerichtsverfahren auf sich nehmen und sich damit gegen Hass im Netz zu Wehr setzen können.
Soziale Netzwerke zu einer zuständigen Stelle für Klagen zu verpflichten, begrüßen RSF und NdM. Denn das erleichtert es allen Betroffenen, sich gegen Gewalt im Netz juristisch zur Wehr zu setzen.
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