KI und Blockchain: Wie innovativ muss Supply Chain Finance sein?

Supply Chain Finance optimiert das Working Capital und stabilisiert den Handel. Beim 5. Supply Chain Finance Hub der TU München am TUM Campus Heilbronn diskutierte ein internationales Panel die Lieferkettenfinanzierung der Zukunft. Blockchain und KI versprechen Innovationssprünge.

Seit 15 Jahren gibt es Programme zur Lieferkettenfinanzierung. Supply Chain Finance (SCF) stabilisiert Handelsbeziehungen, erhöht die Liquidität von Unternehmen und optimiert ihr Working Capital. Zahlreiche Angebote sind auf dem Markt. Gleichzeitig versprechen innovative Technologien wie Blockchain und KI neue Ansätze. „Supply Chain Finance: Balancing Exploration and Exploitation – Towards an Established Standard?“ lautete deshalb der Titel des 5. Supply Chain Finance Hub der Technischen Universität München (TUM), TUM Campus Heilbronn. Das international ausgerichtete Event unter der Leitung von Prof. Dr. David Wuttke, Professor für Supply Chain Management, fand in diesem Jahr erstmals hybrid statt. Zur Paneldiskussion in Heilbronn waren Expertinnen, Experten und Teilnehmende aus zahlreichen Ländern zugeschaltet.

Bedeutung von Supply Chain Finance nimmt zu

Supply Chain Finance sorgt für einen gleichmäßigen Cashflow. Über die Finanzierung Dritter werden Lieferanten umgehend bezahlt und einkaufende Firmen müssen die Forderungen nicht direkt begleichen. Insbesondere bei schwankender Nachfrage ist dies von Vorteil. „Die Bedeutung von Supply Chain Finance hat angesichts der Volatilität der Märkte noch einmal zugenommen“, sagt Prof. David Wuttke zum Start SCF-Hubs am TUM Campus Heilbronn. Zahlungsziele sind in Preisgesprächen stets Gegenstand von Verhandlungen: „Supply Chain Finance löst diesen Zielkonflikt, indem zu einem attraktiven Zinssatz Waren- und Zahlungsziele harmonisiert werden“, benennt Tom Dunn, Vorstand des Londoner SCF-Pioniers Orbian, die Vorteile des Instruments.

Die wichtigen Lieferpartner zuerst

Dennoch nehmen nicht alle Lieferanten die Finanzierung wahr. Und zu wenige Unternehmen bieten die Möglichkeit überhaupt an. „Da gibt es auf beiden Seiten viel Luft nach oben“, erklärt Prof. Dr. David Wuttke. Siemens ist ein Pionier im Supply Chain Financing. Der Konzern arbeitet seit 2009 mit Programmen zur Lieferkettenfinanzierung. „Wir haben heute rund 15 Prozent unseres Beschaffungsvolumens über Supply Chain Finance abgedeckt“, beschreibt Friedemann Kirchhof, Head of Supply Chain Finance der Siemens Bank, den Umfang des Programms, an dem bei Siemens vor allem die strategischen Lieferanten teilnehmen. „Entscheidend ist, dass die wichtigen Partner an Bord sind. Dieses Ziel haben wir erreicht“, betont der SCF-Experte. Für die Zukunft will Siemens SCF-Programme für digitale Zwillinge designen. „Wir brauchen Innovationen. Die Wertschöpfungsketten verändern sich. Maschinen kommunizieren mit Maschinen. Daran muss sich die Finanzierung anpassen“, begründet Kirchhof den Schritt.  

Geringe Einstiegshürden entscheidend für KMUs

Für die Zusammenarbeit mit C-Lieferanten und KMU bieten sich Marktplätze für Supply Chain Finance an. Diese Marktplätze ermöglichen es Lieferanten, Zwischenfinanzierungen nicht nur für Forderungen gegenüber einzelnen Kunden, die das SCF-Programm initiiert haben, sondern auch gegenüber anderen Geschäftspartnern anzubieten. „Marktplätze können die Attraktivität von SCF für Zulieferer erheblich steigern“, meint Lena Stelzner von CRX Markets. Die Möglichkeiten und Plattformen sind also da, sie müssen nur genutzt werden. Für die Zukunft prognostiziert Stelzner eine bessere Einbindung des Spend-Tails. Gemeint sind damit jene Ausgaben, die Unternehmen nicht bei ihren strategischen Partnern tätigen, sondern bei der Vielzahl der übrigen Lieferanten. Ein durch KI kuratiertes Lieferanten-Onboarding könnte bei der Akzeptanz von SCF-Programmen helfen, meint die Supply Chain Finance Expertin. SCF-Marktplätze sieht sie als Chance, um die Finanzierung von KMU zu diversifizieren.

Deep-Tier-Finance via Blockchain

Bislang beschränkt sich Supply Chain Finance in der Regel auf einkaufende Unternehmen und ihre direkten Lieferpartner (Tier-1). Die Einbindung weiterer Wertschöpfungsstufen in die Lieferkettenfinanzierung gilt als aufwändig und wenig praktikabel. Blockchains könnten dieses Problem lösen und den Geldfluss über die gesamte Lieferkette zwischenfinanzieren (sogenanntes Deep-Tier-Financing): „Eine Blockchain kann die Forderungen aller Supply Chain Stufen verknüpfen, ohne dass ein Onboarding der Sublieferanten notwendig wird. Die Identität der Vertragspartner lässt sich durch die Technologie zweifelsfrei nachweisen“, erklärt Srinivasan Sriram, CEO des SCF-Startups Skuchain. Dabei wandele die Blockchain die Forderungen in digitale Vermögenswerte um und gebe Dritten die Möglichkeit, sich an der Finanzierung der Vermögenswerte und den damit verbundenen Verpflichtungen zu beteiligen, führt der aus San Francisco zugeschaltete Blockchain-Spezialist beim SCF-Hub aus. Alle Transaktionen ließen sich bis zum Ursprung der Lieferkette nachvollziehen, so dass Betrugsszenarien ausgeschlossen seien.

Rechtliche Risiken klären

Die Entwicklung neuer Technologien für die Lieferkettenfinanzierung birgt jedoch rechtliche Risiken. Darauf weist Dr. Claudia Milbradt hin, Partnerin der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance: „Auch Unternehmen, die neue Standards entwickeln, müssen ihre IP schützen“, erklärt sie. Das geistige Eigentum in Anspruch zu nehmen und selbst über den Schutz zu entscheiden, sei ein essenzieller Schritt, den FinTechs und Startups manchmal versäumten. Auch die Nutzung generativer Sprachmodelle gelte es sorgfältig auf den Schutz der eingespielten Daten und mögliche Urheberrechtsverletzungen zu prüfen, mahnt die IP-Spezialistin.

In der Unternehmenspraxis prognostizieren Firmen mit Hilfe von KI unter anderem ihren künftigen Finanzierungsbedarf, um ihre Kreditlinien daran anzupassen. Banken könnten maschinelles Lernen bei Kreditvergaben für eine erste Risikobewertung nutzen, meint Working Capital-Spezialist Dirk Neuendorf von Unicredit. „KI kann ein Wegbereiter für mehr kundenindividuelle Angebote sein, da sie die Produktivität und Effizienz am Arbeitsplatz steigert und Ressourcen freisetzt“, erklärt er.

Transparenz versus Blackbox

Dabei verfolgen KI und Blockchain als Technologien völlig unterschiedliche Ansätze. „Die Transparenz einer Blockchain steht der Blackbox einer KI gegenüber, die aus genau dieser ihre mächtigen Schlussfolgerungen zieht“, vergleicht Prof. Dr. David Wuttke die Konzepte. Auch wenn sowohl Blockchain als auch KI noch nicht unmittelbar zum Einsatz in der Lieferkettenfinanzierung kommen, sollten Unternehmen jetzt handeln und SCF zur Stabilisierung ihrer Geschäftsbeziehungen nutzen: „Es gibt in der Praxis noch sehr viel Potenzial für Supply Chain Finance. Deshalb lohnt es sich die etablierten Standards erst einmal konsequent anzuwenden“, erklärt Wuttke.  

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