Auf die Genitalbeschneidung kommen die betroffenen Frauen von sich aus in der Beratung nicht zu sprechen, berichtet Beraterin Kirsten Kroll-Schellhorn aus Tübingen. Wenn aber die Beraterinnen und Berater die Genitalverstümmelung ansprächen, begegneten sie meist einem großen Redebedürfnis. „Viele der betroffenen Frauen wissen nicht, woher ihre Schmerzen kommen. Sie kennen ihre Genitalien nur beschnitten. Für sie ist dieser Zustand normal, gehört zu ihrem Alltag und ist nicht anders vorstellbar“, so Kroll-Schellhorn. Dabei litten viele beschnittene Frauen an massiven Schmerzen, etwa bei der Regelblutung oder allein schon beim Sitzen.
Viele Frauen seien im Hinblick auf die anstehende Geburt verunsichert und nicht mit dem hiesigen medizinischen System vertraut. Hinzu komme: Die Frauen sind in Deutschland häufig auf sich gestellt. Sie haben keinen Partner oder weibliche Familienmitglieder, die ihnen bei der Schwangerschaft und Geburt zur Seite stehen. Doch um dieses sensible Thema ansprechen zu können, bedarf es einer intensiven persönlichen Auseinandersetzung auch durch die Beraterinnen. „Es gibt bei uns eine gewisse Scheu, dieses Thema anzusprehen, denn wir möchten keine Grenzen überschreiten. Die Frauen haben aber ein Recht auf eine kompetente Ansprechpartnerin“, berichtet Kroll-Schellhorn. Ihr langfristiges Ziel: Mit den Frauen auch dahingehend in die Reflexion kommen, dass sie ihre eigenen Töchter nicht beschneiden lassen. Manche fühlten sich überfordert, sich allein gegen diese gesellschaftliche Norm zu stellen, die sie aus ihrem Herkunftsland kennen. Dies werde umso schwerer, je mehr sie in Deutschland Alltagsrassismus erfahren und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
In rund 30 Ländern weltweit werden Mädchen beschnitten, dies betrifft das westliche und östliche Afrika genauso wie beispielsweise den Nordirak, Kurdistan, Oman, Jemen oder Indonesion. Laut WHO leben in Deuschland geschätzt 47.500 betroffene Frauen und Mädchen. Die Anzahl der von Beschneidung bedrohten in Deutschland lebenden Frauen und Mädchen wird auf ca. 9.300 geschätzt. In der Regel sind es die Mütter und Großmütter, die auf eine Beschneidung als Ritual des Übergangs vom Mädchen zur Frau achten. Es sind keine religiösen Motive. Vielmehr soll die Beschneidung die Jungfräulichkeit und eheliche Treue sichern. Fachkreise gehen davon aus, dass vor allem in Kulturen, die in hierarchisch-patriarchalischen Systemen organisiert sind, weibliche Genitalbeschneidung verbreitet ist. Weibliche Beschneidung gilt in den meisten Ländern als schwere Menschenrechtsverletzung und wird als Straftat verurteilt. Sie verletzt das Recht auf körperliche Unversehrtheit und fügt Mädchen und Frauen sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene erheblichen Schaden zu.
Der Bericht der Schwangerschaftsberatung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart für das Jahr 2019 steht zum Download bereit unter http://www.caritas-rottenburg-stuttgart.de/cms/contents/caritas-rottenburg-s/medien/dokumente/uploads/jahresbericht-schwan/jahresbericht_2019_rz.pdf
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind 55 Beraterinnen und Berater in der katholischen Schwangerschaftsberatung (KSB) in knapp 35 Vollzeitstellen tätig. Sie beraten und begleiten Frauen und Paare an 33 Standorten. Die Beratungsstellen sind in Trägerschaft des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart und des Sozialdienstes katholischer Frauen. Sie sind Anlaufstelle bei Fragen der Sexualaufklärung und Familienplanung sowie bei allen Fragen zur Schwangerschaft. Sie begleiten junge Eltern im Übergang von der Paarbeziehung zur Elternschaft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren über familienfördernde Leistungen und vermitteln bei Bedarf finanzielle Hilfen.
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